am Mittwoch, den 6. November war die gemeinsame Sitzung von Bau- und Integrationsausschuss, in der unser Einwohnerantrag beraten und darüber abgestimmt wurde. Beide Ausschüsse haben sich mehrheitlich für die Annahme des Antrags ausgesprochen (SPD hat dagegen gestimmt und die Linke hat sich enthalten). Einige Nutzer*innen des Geländes waren da, und haben sich ausdrücklich hinter den Einwohnerantrag gestellt. Zu ihrer Situation sagten sie, sie hätten positive Signale, bleiben zu können, aber noch keine Sicherheit. Wir haben bei der Ausschusssitzung noch mal zu den beiden ersten Forderungen des Einwohnerantrags einen Redebeitrag gehalten, in den neue Informationen und Argumente eingeflossen sind.

Sehr geehrte Mitglieder des Bau-und des Integrationsausschusses

Mit dem Einwohnerantrag fordern wir u.a. „Bebauungsplan statt Sonderbaurecht.“ Die Rede, in der wir das ausführlich begründet haben, liegt Ihnen vor. Hier noch ein paar Punkte für die Debatte:

1. Das Sonderbaurecht ist geschaffen worden, um das Bauen in Gewerbegebieten und im Außenbereich zu erleichtern und zu beschleunigen. Beim Areal Ratiborstraße handelt es sich um einem innerstädtischen Bereich, auf einem Gelände, das im Baunutzungsplan als Nicht-Baugebiet ausgewiesen ist. Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Bebauung, aber ein Bebauungsplan, der das Areal unter Berücksichtigung aller Belange neu ordnet, ist grundlegende Voraussetzung für eine Akzeptanz in der Nachbarschaft. Eine Bebauung ausgerechnet des ökologisch wertvollsten Teil des Areals mit vielen Baumfällungen lehnen wie hingegen kategorisch ab.

2. Die Anwendung des Sonderbaurechts ist durch die aktuelle Situation nicht mehr legitimiert. Das zeigen die Pläne der BGG selbst: Nach Aussage der Projektleiterin Jallard-Graez soll erst im Frühjahr 2021 mit dem Bau begonnen werden. Bis dahin wäre – mit einiger Anstrengung – auch ein Bebauungsplan realisierbar.

3. daraus folgt: Der Bauantrag wird nach Sonderbaurecht durchgepeitscht, weil es zu Recht Ende des Jahres ausläuft. Wir sehen darin einen demonstrativen Akt gegen ein geregeltes Beteiligungsverfahren. Wie problematisch die BGG und der Senat für Finanzen dieses Vorgehen selbst finden, zeigt sich an Falschbehauptungen im Bauantrag und in Schreiben der Senatsverwaltung an Nachbar- und Anwohnerinnen. Da heißt es: der vorliegende Bauantrag sei im Konsens mit NutzerInnen und AnwohnerInnen erstellt worden. Im Protokoll der fraglichen Sitzung steht dagegen, und so ist es richtig: Die Nachbarschaft hat sich aus Protest aus dem Prozess zurückgezogen.

4. Die Verpflichtung zur Beteiligung an Wohnfolgeeinrichtungen besteht nur im Rahmen eines Bebauungsplans. Mit dem Sonderbaurecht wird hier ein Gebäude für 250 Menschen hingesetzt, ohne die dringend notwendigen Anpassungsmaßnahmen.

5. Das Sonderbaurecht schränkt den wohnungspolitischen Spielraum enorm ein, weil es nur Geimeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete zulässt.

Und damit sind wir beim Thema Integration: Im Einwohnerantrag fordern wir, das Bezirksamt soll sich dafür einsetzen, dass der Senat seine Flüchtlingspolitik grundsätzlich ändert. Statt neuer Gemeinschaftsunterkünfte sollen Sozialwohnungen mit einem festgelegten Kontingent für Geflüchtete gebaut werden. Das Bezirksamt soll alle seine Befugnisse in diesem Sinne ausüben.

Wohnen, so heißt es in diversen kommunalpolitischen Papieren zu Recht, ist der Schlüssel zur Integration. Geplant sind in der neuen MUF Zimmer mit einer Durchschnittsgröße von 12 qm, die mit jeweils 2 Personen belegt werden. Es ist ermüdet, immer erneut wiederholen zu müssen, was Studien und langjährige Erfahrung belegen:

Der langfristige Entzug von Privatsphäre in Gemeinschaftsunterkünften sowie die Enge und der Lärm durch die Dichtbelegung machen krank, erschweren Integration und sind teuer.

Fünfzig Prozent der Flüchtlinge in den Unterkünften haben nach Auskunft des LAF das Asylverfahren bereits abgeschlossen. Würden für sie Wohnungen gebaut, gäbe es in den vorhandenen Unterkünften genug Platz, um Tempohomes und Pensionen leerzuziehen. Was für ein Irrsinn, stattdessen neue Sammelunterkünfte zu bauen, in denen sie dann als Wohnungslose untergebracht werden!

Zur Erinnerung:

Die heutigen Senatorinnen Breitenbach und Lompscher forderten den Senat 2015 auf, all das zu tun, was wir heute fordern, z.B. die Kontingente bei den Wohnungsbaugesellschaften (Kooperationsvereinbarung) für Geflüchtete zu erhöhen. Passiert ist seit 2016 nichts. Im Kaolitionsvertrag der Parteien, die auch hier in der BVV die Mehrheit haben, heißt es: Die Koalition verfolgt ein Konzept, mit dem die Unterbringung geflüchteter Menschen kleinteilig und dezentral in Wohnungen gewährleistet wird. Die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann twitterte nach ihrem ersten Besuch auf dem Areal im letzten Jahr: „Wir wollen Wohnen für alle und keine solitären Unterbringungseinheiten.“ Und Baustadtrat Florian Schmidt äußert sich im April diesen Jahres ähnlich zum Thema in seinem Letter of Intent.

Wir nehmen Sie alle beim Wort. Zusammen mit Flüchtlingsinitiativen, die seit Jahren um Wohnen statt Unterbringung kämpfen, fordern wir endlich Umsetzung von Absichtserklärungen statt weiteren Bau von Gemeinschaftsunterkünften.